Ganz anders dachte der christliche Mensch der Frühzeit. Er lehnte es ab, das Göttliche im Bild gegenwärtig zu machen. Maler und Bildhauer sollten sich der Darstellung des Göttlichen enthalten, so hieß es damals. Diese Auffassung mag auch in der Bilderfeindschaft des Judentums ihren Grund haben. Die verschiedenen Meinungen führten vor allem im menschenreichen Byzanz zu Spannungen, aus denen sich ein mit großer Leidenschaft geführter Streit entzündete. Überzeugung stand gegen Überzeugung; die Ikonodulen, die Bilderverehrer, fochten gegen die Ikonoklasten, die Gegner der Bilderverehrung. Bereits seit dem 4. Jahrhundert schwelte die Bilderfrage. Es gab Stimmen für die Bilderverehrung und Stimmen dagegen. Die berühmtesten Kirchenmänner der Zeit diskutierten miteinander und nahmen in Schriften dazu Stellung, so der Heilige Augustinus (354-430) und vor allem Johannes Chrysostomos (344-407). Beide zeigen eine positive Einstellung zum. Bilderschaffen der Zeit, setzten sich aber noch nicht grundsätzlich mit der Bilderverehrung auseinander.
Drei hervorragende Lehrer der Ost-kirche sind es, die bereit waren, christliches Bildschaffen zu bejahen, weil sie den Nutzen für die Frömmigkeit der Menschen, die des Lesens nicht kundig waren, einsahen. Außerdem konnten die Darstellungen aus dem Leben von Heiligen und Märtyrern die Menschen besser und eindringlicher als geschriebene oder vorgetragene Worte dazu bringen, unbeharrlich in ihrem Glauben zu sein. So ermunterte zum Beispiel Basilios der Große (330-379) die Maler, ihr ganzes Können aufzubieten, um die Szenen eindringlich und kunstvoll zu schildern, würdevoll die Personen und sieghaft den neuen Glauben. Auch das Leben weiblicher Heiliger wird bildhaft dargestellt, so die Passion der Heiligen Euphemia, von der Folterung durch die Häscher bis zu ihrem Flammentod, den sie ohne Schmerz im Zeichen des Kreuzes, in der Gewissheit seligen Lebens, erträgt.
Ähnlich wie Basilios äußerten sich auch Gregor von Nazianz (330-390) und Gregor von Nyssa (335-394). Kriterium für die Qualität eines Bildes ist zu dieser Zeit die Aussage, deren Wirkung so stark sein muss, dass in der Seele des Betrachters echte Frömmigkeit entsteht oder gefördert wird. Märtyrer und Heilige sind Menschen, die ihres frommen Lebens und ihrer außer ordentlichen Taten wegen am Göttlichen teilhaben.
Aber galt das auch für Christus? Die Frage, ob und wie man ihn darzustellen hätte, rührte an die damals noch offene Grundfrage des Christentums: Ist Christus wesensgleich mit Gott? Der Presbyter Arius in Alexandria (gestorben 336) verneinte diese Frage für ihn war Jesus ein gottähnlicher Mensch-, der griechische Kirchenlehrer Athanasius (um 293-373) bejahte sie. Die Kirchenversammlungen von Nicäa 325 und Konstantinopel 381 gaben Athanasius recht und bestätigten die Wesensgleichheit von Christus und dem Vater. Dennoch hielt sich unter den christlich gewordenen Germanen die Lehre des Arius bis ins 7. Jahrhundert.
Aber sowohl nach weströmischer als auch nach oströmischer Auffassung war Christus göttlichen Wesens, und es erhob sich nun die Frage: Ist es zulässig, dass Menschliche des Herrn abgelöst von seiner Göttlichkeit im Bild darzustellen? Oder ist Göttliches darstellbar, und wie lässt es sich im Bild mit umgreifen? Läßt sich die reale Gestalt Christi überhaupt fixieren, die doch, so wird berichtet, verschiedenen Menschen unterschiedlich erschien, die kraft seiner Göttlichkeit unendlich wandelbar war?
Die Lösung fand man in einem Kompromiss. Die Bildnisse jener Zeit -Fresken, Mosaike und Ikonen – zeigen Christus als menschliche Erscheinung, aber ausgestattet mit der Würde und Majestät des Himmlischen, dessen wichtigstes Symbol die Aurole, der zumeist goldene Heiligenschein ist, sie zeigen ihn als gottmenschliche Einheit. Die wichtigsten Argumente dafür, dass es nicht unmöglich war, Gottmenschliches darzustellen, waren die Menschwerdung der Zweiten trinitarischen Person und jene Stelle aus der Genesis, in der es heißt, Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Doch die Kirche hatte diese Auffassung noch nicht sanktioniert. Erst Jahrhunderte später wird sie gezwungen, Stellung zu beziehen.
Die nach griechischer Tradition und byzantinischer Überzeugung freundliche Einstellung zu kultischen oder religiösen Bildnissen geriet im 8. Jahrhundert ins Wanken.
Der byzantinische Kaiser Leo III. war es, der 730 durch ein Bildverbot den Bilderstreit entfesselte. Wie ist dieser recht plötzliche Gesinnungswandel im sonst so bilderfreundlichen Byzanz zu erklären? Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit bildnerischen Tuns waren nie ganz verstummt, sie fanden neue Nahrung in der Auffassung des Islam, der sich nun mächtig auszubreiten begann. Schon seit einiger Zeit bestürmten die Araber das byzantinische Reich und bedrohten Konstantinopel. Im Islam durfte die menschliche Gestalt Gottes oder seines Propheten nur als abstraktes Ornament auf Bildern angedeutet werden.
720 hatte der Kalif Jazid II. ein strenges Bilderverbot erlassen, das auch für die Christen in seinem Lande galt. Er ließ alle Bilder aus ihren Kirchen entfernen. Die Überzeugungskraft dieser jungen Religion, die mit Schwert und Feuer die neue Heilsbotschaft in die Völker Asiens, Afrikas und Europas trug, blieb nicht ohne Wirkung auf das Christentum, wenngleich Leo III. die Verteidigung des Christentums gegen den Islam als seinen Heiligen Krieg betrachtete. Seine Entscheidung gegen die Bilder hatte auch noch einen politischen Grund: Er strebte die Unabhängigkeit der Ostkirche vom Papst an und wollte gleich zeitig seine Macht, die Macht des Kaisers, über die Kirche in seinen Reich betonen.
Die Päpste Gregor II. und Gregor III. verdammten den Ikonoklasmus, das Bilder-verbot. Auch die Griechen stemmten sich dagegen, und so wurde vor allem Byzanz der Schauplatz dieser heißen und blutigen Auseinandersetzung. Kaiserliche Truppen, unterstützt von einer armenischen Elitetruppe, kämpften gegen Scharen von Mönchen, die gegen das gutorganisierte Heer mit Methoden von Untergrundbewegung vorgingen. Der kaiserliche Sprecher wurde auf offener Straße von einer aufgebrachten Menschenmenge überrannt und erschlagen. Die Antwort darauf waren Brecheisen und Stangen, mit denen die Kaiserlichen und den Kirchen und Wohnungen die Bilder zerstörten. Viele Anhänger der Bilderverehrung emigrierten nach Unteritalien und der Krim und schufen hier Reservate der Ikonenmalerei.
Die Synode von Hiereia 754 wollte ein für alle Mal den Bilderstreit durch ein Bildverbot beenden und befahl die Bildervernichtung. Doch der Papst erhob Einspruch und brachte das Gesetz um seine ökumenische Wirksamkeit. Dennoch setzte im oströmischen Reich ein neuer Sturm auf die Bilder ein. Es sind nicht viele Ikonen, die der Vernichtung entgingen, etwa 40 bis 50 aus der so überaus schöpferischen justinianischen Epoche (6. – 7. Jahrhundert) und der Zeit des Bilderstreites (726-842), in der man nicht aufgehört hatte im Verborgenen zu malen. Aus der Frühzeit (4. und 5. Jahrhundert) sind uns gar keine Ikonen erhalten geblieben.
Ein vorläufiges Ende fand der Bilderstreit durch die Kaiserin Eirene, eine überzeugte Anhängerin der Bilderverehrung – sie stammte aus Athen -, die für ihren unmündigen Sohn Konstantin VI. die Regentschaft führte und später Alleinherrscherin war. Auch der Westen nahm zur Bilderfrage Stellung. Die von Karl dem Großen geleitete Synode zu Frankfurt 794, bei der auch Papst Hadrian I. zugegen war, wendete sich sowohl gegen Bilderverehrung als auch gegen Bilderzerstörung.
Das 7. ökumenische Konzil von Nicäa 787, das Eirene zusammen mit dem Patriarchen von Konstantinopel einberief und zu dem zwar nicht Papst Hadrian I. selbst, aber doch seine Legaten erschienen, stellte fest: Alle heiligen Bilder von Jesus Christus, der Gottesmutter, den Heiligen dürfen gemalt oder sonst wie gestaltet und aufgestellt werden. Jedermann darf ihnen Ehrfurcht und Verehrung erweisen, ohne sie jedoch im eigentlichen Sinne anzubeten, was nur allein Gott zukommt. Diese Verehrung betrifft nicht das Bild, sondern die auf ihm dargestellte Person.
Noch einmal schien sich der Streit zugunsten der Ikonoklasten entscheiden zu wollen, eine Synode im Jahre 815 widerrief die Beschlüsse von Nicäa, doch 843 beendete die Kaiserinwitwe Theodora auf einer Synode in Konstantinopel endgültig den Bildersturm. In einer feierlichen Prozession wurden Ikonen durch die Straßen getragen, Kirchen und Häuser aufs neue geschmückt. Die Begeisterung in Konstantinopel war grenzenlos, und noch heute wird zum Gedenken an diesen Tag in der griechischen und russischen Kirche am 19. Februar das »Fest der Orthodoxie«, der Rechtgläubigkeit, gefeiert.
Die Beschlüsse der Synode von Konstantinopel hatten noch weiter-reichende politische Folgen: Sie vertieften die Trennung der Ostkirche von Westrom, die Spaltung der europäischen Christenheit. Die Ostkirche blieb Staatskirche. 1054 wurde ihre Unabhängigkeit vom Papst endgültig besiegelt. Bedeutende Kirchenmänner hatten den Kampf auf beiden Seiten geführt. Punkt für Punkt widerlegten der Abt Theodor, genannt Studita, und der Patriarch Nikephoros von Konstantinopel, auf den Gedanken Johannes von Damaskus und den Aussagen der Bibel fußend, die Argumente der Ikonoklasten. Ihre Rechtfertigung des Bildschaffens legte auch gleichzeitig Sinn und Ziel der Ikonen für die nächsten Jahrhunderte fest, sie schufen sozusagen eine Theologie der Ikonen.
Doch außer ihren scharfsinnigen Argumenten fanden sie auch ganz einfache Begründungen: Die menschliche Natur ist aufs Schauen angelegt. Die Menschen um Jesus wollten ihren Heiland sehen. Wir möchten uns ein Bild von ihm machen. Und damit ist nicht nur das einfache Abbild gemeint, das die äußere Erscheinung festhält, sondern ein Bild, das die ganze heilige Person umfasst. Und diejenigen, die das Bild betrachten, schauen nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen.
Quelle: Der Bilderstreit rund um orthodoxe Ikonen | Ikonen Mautner © Ikonen Mautner. Tippfehler, sonstige Irrtümer oder Änderungen vorbehalten. U.A.: „Das Synaxarion. Das Leben der Heiligen der Orthodoxen Kirche. (http://www.prodromos-verlag.de/buecher.html) und Joachim Schäfer: Das Ökumenische Heiligenlexikon – https://www.heiligenlexikon.de